Barrikadenkämpfe in Berlin 1848

Version 1.1 vom September 2017

Präambel

Unsere Zeit, das 21. Jahrhundert, schien ganz und gar dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt zu gehören und seiner politischen Ausdrucksform, dem Globalisierungs-Kapitalismus. Geboren im oft geschmähten „alten Europa“, hatten die Schöpfer dieser modernen Endzeitideologie den Anspruch auf Weltherrschaft, den die Römer noch mit großer Selbstverständlichkeit für sich, also für Europa selbst ausformulierten, an die Vereinigten Staaten von Amerika abgegeben. All jene Erwartungen, die die materialistischen Propheten des 20. Jahrhunderts beim Plebs provozierten, sind in der amerikanischen Hemisphäre übererfüllt worden. Das amerikanische Zeitalter versprach, eine goldene Epoche zu werden – nur  leider nicht für jeden.

Denn der Globalisierungs-Kapitalismus verwirft jenen Teil der Menschheit, der sich seiner Logik und seinen Prinzipien entzieht. Oder schlicht auf dem falschen Kontinent lebt.

Die Christen sagen dem heiligen St. Martin nach, er habe seinen Mantel mit einem frierenden Bettler geteilt. Aus puritanischer Sicht hätte er besser daran getan, dem Armen, den Gott verworfen und deshalb mit sozialer Deklassierung geschlagen hat, auch noch den Lendenschurz um kleines Geld abzuhandeln. Nichts anderes unternehmen heute die Protagonisten des weltweiten Freihandels, die jeden Winkel der Welt dem westlichen Verwertungsinteresse zu unterwerfen versuchen.

Wer sich dem entgegenstellt, den nimmt die massenmediale Glitzerwelt ins Visier. Er gilt als Terrorist, als Nazi oder Kommunist – je nachdem, was gerade passt und größeren Schrecken auslöst.

Der westliche Liberalismus und die amerikanische Wall Street bildeten jahrzehntelang eine ideologische  Achse, um die sich die gesamte Welt zu drehen schien. Widerstand war eine Sache verfemter, vermeintlich radikaler, marginalisierter Minderheiten. Selbstverständlich ohne jede Chance, jemals politisch wirksam zu werde.

Und dann kam Donald Trump.

Seit seiner Wahl zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika sind die Karten neu gemischt. Die Macht der Wall Street wankt. Der Angriff auf die Bestie, die zur Geißel der Menschheit wurde, kommt nicht von außen, sondern aus der Mitte der US-amerikanischen Gesellschaft.

Washington und New York waren Hirn und Herz des westlichen Liberalismus. Jetzt bilden dort der Trump Tower und das Weiße Haus Symbole eines neuen Selbstbewusstseins der Völker. Trump hat bewiesen, dass die Bestie verwundbar ist, dass sie besiegt werden kann.

Nun gilt es, ihr den Todesstoß zu versetzen.

Triumph der Aufklärung

Aufklärung und industrielle Revolution brachten innerhalb weniger Jahrhunderte radikale Umwälzungen und eine grundlegende Verbesserung der Lebensverhältnisse aller Menschen sowie die Explosion der Weltbevölkerung mit sich. Während in den 10.000 Jahren vor der ersten nachchristlichen Jahrtausendwende nur eine Handvoll grundlegender Neuerungen in das Leben der Menschen einschnitten, erfahren wir etwa seit dem 16. Jahrhundert in Europa wie im europäisch geprägten Teil der Welt Veränderungen, Verbesserungen, Verwerfungen des Bestehenden in inflationärer Zahl innerhalb kürzester Zeit. Seither lebt hier nicht eine Generation so wie die vorangegangene. Die Ältesten der letzten „unzivilisierten“ menschlichen Sippen im Amazonas dagegen erzählen sich mündlich überlieferte Geschichten aus längst vergangenen Zeiten, deren Handlungen spielen in einer Welt, die nicht verschiedenen ist von derjenigen, in die sie selbst hineingeboren wurden. In diesen Geschichten finden Werkzeuge Erwähnung, mit denen sie heute noch ihre Hütten bauen oder auf die Jagd gehen. Tausend Jahre technischer Stillstand. Für uns unvorstellbar. Der moderne Mensch unterscheidet sich zwar in anthropologischer Hinsicht nicht von seinen Vorfahren vor 10.000 Jahren, aber seine Lebenswirklichkeit ist eine völlig andere geworden. Eine Konstellation, die Risiken in sich birgt.

Unser Erfolg war nicht vorbestimmt. Es hätte auch anders kommen können. Mehrere konkurrierende Evolutionslinien des Menschen unterlagen unseren Vorfahren im Kampf ums Überleben. Der moderne Mensch vergisst im irrationalen Glauben an seine technischen Möglichkeiten gerne, dass er den Gesetzen der Natur, von denen er viele bis heute nur ungefähr erraten und sprachlich umschrieben hat, heute noch genauso unterliegt wie vor Jahrtausenden. Phasenweise, religiös begründet bei der letzten Jahrtausendwende in Europa und unlängst im „Kalten Krieg“ zwischen den USA und der UdSSR, bangte die Menschheit kollektiv um ihre physische Existenz, erahnte sie die Möglichkeit ihrer Selbstvernichtung. Solche Sorgen sind unverändert gut begründet. Die Menschen vermögen es heute nicht, das Tempo der Fortentwicklung ihres politischen und kulturellen Überbaus dem ihrer wissenschaftlich-technischen Basis anzupassen. Ob sie länger als ehedem die Dinosaurier die Erde beherrschen werden, muss sich erst noch herausstellen.

Der Fortschritt, der unser Leben immer schneller verändert, hätte auch an anderer Stelle und in einer anderen Zeit ausbrechen können. Europäischer Ethnozentrismus ist unwissenschaftlich, er geht von falschen Voraussetzungen aus. Vor uns trugen andere Kulturen den Keim der Explosion des wissenschaftlich-technischen Fortschritts in sich.

Griechen, Römer und Germanen berichten übereinstimmend vom Bestand einer seefahrenden Hochkultur in vorgeschichtlicher Zeit, die allen anderen damaligen Kulturen weit überlegen gewesen sein soll. Platon zog die ihm vorliegenden Berichten für seine Sage von Atlantis heran. Was auch immer Atlantis war, hier hätte der Ausgangspunkt der ersten modernen Zivilisation liegen können. Die Ägypter erreichten in Architektur und Landwirtschaft einen Leistungsstand, der den des späteren europäischen Mittelalters übertraf. Sie sollen auch bereits mit Elektrizität experimentiert haben. Die Inkas errichteten auf amerikanischem Boden beeindruckende Reiche mit einer hochentwickelten Infrastruktur. Wären sie nicht zerbrochen an Kämpfen um Land und andere natürliche Ressourcen, dann hätten sie möglicherweise eher als wir Buchdruck, Dampfmaschine und Feuerwaffen erfunden. Damit wäre den Spaniern bei der Entdeckung Europas durch eine Expedition der Inka womöglich eine böse Überraschung bereitet worden.

Die Explosion der Erkenntnis aber nahm bei uns ihren Anfang, bei Deutschen, Engländern, Italienern, Spaniern, Portugiesen, Niederländern und Franzosen. Deshalb lastet auf uns Europäern die Verantwortung, Beiträge für eine weltweite politische Ordnung zu leisten, die den Fortschritt, den wir entfesselt haben, in einer Art gestaltet, die das Überleben der Menschheit wahrscheinlich macht. Unsere Zivilisation soll nicht enden wie die der Inkas, unsere Gattung soll nicht das Schicksal des Neandertalers teilen. Das ist die europäische Mission im 21. Jahrhundert.

Bislang sind wir Europäer dieser Aufgabe nicht gerecht geworden. Unsere Inbesitznahme Amerikas erfolgte als Völkermord mit einem zweifelhaften, für die gesamte Menschheit lebensgefährlichen Resultat. Inkas, Apachen und Sioux fielen der materiellen Gier der europäischen Einwanderer zum Opfer. Nach den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts und dem Zusammenbruch des Kommunismus verblieben die Enkel der Völkermörder als letzte „Supermacht“ und Träger einer materialistisch-hedonistischen Heilserwartung, deren Protagonisten sich auf das umfangreichste und tödlichste Waffenarsenal seit Menschengedenken stützen konnten. Wir haben Afrika kolonialisiert und im Stich gelassen. Dort entscheidet sich nun – welch eine Hinterlist der Geschichte – das Schicksal Europas: Elend und Perspektivlosigkeit des schwarzen Kontinents, vervielfacht durch einen gewaltigen Bevölkerungsdruck, konfrontieren uns mit afrikanischen jungen Männern, die jede nur erdenkliche Grenzanlage zu überrennen bereit sind, weil ihnen keine heimatliche Heilserwartung verbleibt, weder sozial, noch materiell, noch spirituell; Menschen, unsere Zeitgenossen, die gar nicht anders denken können als in der Kategorie der Flucht, des Ausbrechens in Richtung europäischer Wohlstand. So wird Europa das „gelobte Land“ für Millionen Verzweifelte, die ihre Rolle als Nachfahren der Opfer europäischer Barbarei und Kurzsichtigkeit im 18. und 19. Jahrhundert gesucht und gefunden haben.

Die Dynamik des Geldsystems

Die Weltgeltung des westlich-amerikanischen Systems resultiert nicht nur aus militärischer Potenz. Darin ähnelt das amerikanische Imperium dem römischen. Eine Legion kann ein Volk militärisch unterwerfen und sein Land besetzen. Endgültig besiegt aber ist es erst, wenn es seine eigene Kultur und Identität verwirft und die römische Lebensweise als überlegen anerkennt und also zu übernehmen versucht. Amerika dominierte die Welt nicht allein mit ferngesteuerten Drohnen, sondern vor allem mit dem „american way of life“ – und dem US-Dollar. Universell eintauschbar gegen alles, was Menschen produzieren und zum Leben benötigen oder begehren, lässt sich Geld in den Händen weniger konzentrieren, die so Macht über andere ausüben können – eine Macht, die sachlich oder demokratisch legitimiert sein kann, aber nicht unbedingt sein muss.

Die Macht des Geldes hat für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und die Industrialisierung unverzichtbare Beiträge geleistet. Wer Geld in die Hand nehmen, wer investieren kann, muss sich nicht erklären. Im Globalisierungs-Kapitalismus setzt seine Kreativität Menschen und Maschinen in Bewegung – ohne Rücksicht auf hinderliche Debatten, Abstimmungen und bürokratische Verfahren. Kein Parlament der Welt wäre in der Lage, einen Konzern zu führen, der wettbewerbsfähige Industriegüter produziert. Das lehrte uns im 20. Jahrhundert das klägliche Scheitern der Planwirtschaft. Bevor ein demokratisch gewählter Ausschuss irgendeine Neuerung im Detail abschließend beraten hat, wirft der kapitalistische Konkurrent schon eine neue Produktreihe auf den Markt. Deshalb obsiegte der Kapitalismus im Kampf der Systeme über den Kommunismus. Informationsmanagement und Motivationspsychologie sind die Grundlagen wirtschaftlicher Effizienz im 21. Jahrhundert.

Indessen sind die Nachteile dieses Systems unübersehbar geworden. Denn derjenige, der sich nicht erklären muß, der zudem weder Gott noch Teufel als übergeordnete Institutionen anzuerkennen hat, neigt zur Korruption, zur Willkür und zur Verfettung. Die frühen Generationen der Unternehmer – in Deutschland verkörpert im rheinischen Kapitalismus – standen für Innovation, Fleiß, Disziplin, christliches Ethos, und ihr Verhältnis zu den Arbeitern war im Idealfall von Verantwortungsbewusstsein geprägt. Eine solche Verantwortung ist den Managern im Globalisierungskapitalismus fremd, und der Glaube an Gott erscheint ihnen als eine Art von Paranoia, gegen die es Medikamente zu verabreichen gilt. Längst hat sich über Generationen eine Minderheit von Besitzenden herausgebildet, die es nicht nötig haben, irgendeinen persönlichen Beitrag zum volkswirtschaftlichen Ertrag zu leisten, die statt dessen „ihr Geld für sich arbeiten lassen“. Die Formulierung ist irreführend, denn Geld kann nicht arbeiten. Andere Menschen arbeiten für den, der „investiert“, und dieser „Investor“ lässt also Menschen für sich arbeiten und nicht sein Geld.

Das kapitalistische Prinzip hat sich im Zeitalter der Globalisierung verselbständig. Es ist oft nicht mehr Motor, sondern Bremse des Fortschritts.

Nur ein Bruchteil des weltweiten wirtschaftlichen Potentials fließt in die Grundlagenforschung, die oft unrentabel erscheint. Wo geforscht wird, bestimmen nicht die typischerweise von Wissenschaftlern ausformulierten sachlichen Erfordernisse, sondern das – oft kurzfristige – kapitalistische Verwertungsinteresse.

Längst ließe sich der Individualverkehr in unseren Städten und auf den Autobahnen mehrheitlich elektrisieren, stünden dem nicht die Interessen der Mineralölindustrie und ihrer Investoren entgegen. Eine kleine Handvoll Profiteure des technischen Stillstandes behindert die Entwicklung leistungsfähiger Akkumulatoren, deren Verfügbarkeit Voraussetzung für den ernstzunehmenden Einsatz von Kraftfahrzeugen mit Elektromotoren sind. In einem Fahrzeug gibt es nichts, was der Elektromotor nicht besser leisten kann als die technisch veralterten Verbrennungsmotoren unserer Tage. Kupplung, Getriebe und Bremsscheiben sind im Elektroauto überflüssig. Die Ressourcen für elektrische Fortbewegung sind annähernd unbegrenzt und werden nur noch vom Fahrspaß in Kraftfahrzeugen übertroffen, deren Sicherheitsstandards längst alles bislang Dagewesene in den Schatten stellen würden, wären doch nur endlich die Investitionshemmnisse für die neue Technologie aus dem Weg geräumt.

Der Globalisierungskapitalismus bindet Ressourcen, die die Menschheit benötigt, um die Entwicklung von Fusionsreaktoren zu fördern. In den kommenden Jahrzehnten ist zunächst kein Erfolg bei dem Bemühen abzusehen, Materie auf direktem Weg in Energie umzuwandeln. Für mehr als eine Manager-Generation würde ein Engagement in diesem Segment nichts als eine Belastung der Bilanz bedeuten. Also wird nicht in die Fusionsenergie investiert, obwohl ein Blick zum Himmel beweist, dass das Verfahren funktioniert: die Sonne wandelt Wasserstoff in Helium um und setzt dabei Licht und Wärme frei. Fusionsreaktoren könnten schlagartig und dauerhaft – ohne für die Umwelt schädliche Abfallprodukte – das Energieproblem der gesamten Menschheit lösen und eine neue Qualität der industriellen Entwicklung eröffnen. Aber wen interessiert das, wenn sich damit hier und jetzt kein Geld verdienen lässt?

Am Ende des 20. Jahrhunderts ist auch im Bereich der Entwicklung von Personal Computern (PC) erkennbar geworden, wie der Globalisierungskapitalismus das ökonomistische Prinzip vom Motor in einen Hemmschuh der technologischen Entwicklung verwandelt hat. In den 80er Jahren konkurrierten drei verschiedene Systeme auf dem weltweiten Markt: der IBM-kompatible PC, Apple und Atari. Die Leistungsfähigkeit eines Computer kann an objektiven Merkmalen festgemacht werden: Rechnergeschwindigkeit, Arbeitsspeicher, Qualität des Betriebssystems, Kapazität der Festplatte, usw. Und selbstverständlich spielt der Preis des Rechners eine Rolle. In den 80er Jahren brachte eindeutig Apple die besten PCs an den Markt, allerdings zu sehr hohen Preisen. Platz zwei in der Qualitäts-Rangfolge belegte Atari, zu niedrigen Preisen. IBM und die IBM-kompatiblen PCs bildeten das Schlusslicht, zu mittleren Preisen. Da aber die Großrechner von IBM eher auf dem Markt waren als die Tischcomputer, deren Entwicklung der Konzern verschlafen hatte, und vor allem weil IBM über weit mehr Kapital verfügte als die Konkurrenz, setzte sich der IBM-Standard auch bei PCs durch. Apple überlebte ein Nischendasein auf hohem Niveau, Atari ging in Konkurs. IBM hat sich der Mitbewerber nicht durch Leistung erwehrt, sondern mit schlichter Marktmacht. Der Marktführer erdrückte erfolgreich seinen technisch und im Preis-Leistungs-Verhältnis deutlich überlegenen Konkurrenten Atari.

Im Globalisierungskapitalismus verdrängt das Gute das Bessere, soweit hinter dem Guten mehr Kapital steht. Die weltweit operierenden Konzerne sind keinem ethischen Prinzip, keinem Glauben, keinem Qualitätsstandard verpflichtet, und so hat der Spruch Berechtigung, der behauptet, wenn Microsoft die Dunkelheit zum Standard erklären würde, bliebe uns nichts anderes übrig, als das Licht auszuschalten.

Der Globalisierungskapitalismus steht der nächsten Phase der menschlichen Entwicklung im Wege. Die von ihm geschaffenen Machtstrukturen haben ein System der anonymisierten Fremdbestimmung des Menschen geschaffen, das mit der biologischen Kondition unserer Art nicht in Einklang zu bringen ist.

Der moderne Mensch unterscheidet sich in anthropologischer Hinsicht nicht von jenen Jägern und Sammlern, die als seine Vorfahren vor mehreren zehntausend Jahren darangingen, die Erde zu bevölkern. Er unterhält persönliche Beziehungen nur zu wenigen Dutzend anderen Menschen, wie ehedem in der Sippe. Seine aggressiven Anlagen, seine Empfänglichkeit für Macht und Geschwindigkeit wie aber auch seine Fähigkeit, Zuneigung zu entwickeln für seine Mitmenschen, sind nicht anders ausgeprägt als bei seinen vormodernen Artgenossen. Sich zu Millionen anderen Individuen unmittelbar in Beziehung zu setzen, entspricht nicht seinem biologischen Programm und ist deshalb nur als kulturell erworbene, abstrakte Denkleistung möglich. So kommt es, dass Staatsoberhäupter gute Familienväter sowie sympathische Zeitgenossen sein können – und doch den Tod zahlreicher anderer guter Familienväter sowie sympathischer Zeitgenossen anordnen; dass Manager, obwohl mit einem normalen moralischen Gerüst ausgestattet, Tausende in die Erwerbslosigkeit entlassen, nur um ihre Bilanz geringfügig zu verbessern; dass Unternehmer die Natur vergiften und lebensgefährliche Güter in die Welt setzen, ohne wirklich Unmenschen zu sein.

Der Globalisierungskapitalismus unterwirft Millionen Menschen in den westlichen Industriestaaten einem System der totalen Entfremdung zu ihren Mitmenschen. Irgendwo, in einer entlegenen Konzernzentrale, werden im kleinen Kreis Ziele und Handlungsabläufe bestimmt. Der „kleine Mann“ (und die „kleine Frau“) wird zur Versuchsratte im Laufrad des ökonomischen Prozesses, fremdbestimmt, angewiesen auf sein Auskommen im mehr oder weniger goldenen Käfig seiner Beschäftigungsverhältnisse. Er fühlt sich unwohl, aber sein Unbehagen bleibt regelmäßig diffus. Auf die Frage, wie es ihm geht, antwortet er: „Gut!“ – Aber in Wahrheit sucht er die Geborgenheit alter Zeiten, den Anschluss an die Sippe, der im Dschungel der modernen Welt verloren gegangen ist. Er weiß nicht, wonach er suchen soll. Den Widerspruch zwischen jenen Verhältnissen, die er erwartet, und denen, in die er hineingeboren wurde, versteht er nicht. Niemand ist da, der ihm das Problem erklären kann.

Scheinbar hat er gute Gründe, zufrieden zu sein mit seiner Situation. Immerhin gehört er zu jenen, die in den ökonomischen Prozess integriert sind. Millionen Arbeitslosen geht es schlechter als ihm. Die Möglichkeit des eigenen sozialen Absturzes steht einem prozentual erheblichen Teil der Beschäftigten als permanente  Bedrohung vor Augen. Deshalb ist die Massenarbeitslosigkeit nicht nur kein Problem, sondern ein Segen für die Manager des Globalisierungskapitalismus. Sie wird aus deren Chefetagen nicht nur nicht bekämpft, sondern oft sogar durch das Engagement für einen globalisierten Arbeitsmarkt nach Kräften gefördert. Die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte in die westlichen Industriestaaten macht das Potential größer, aus dem die Personalmanager ihre Wahl treffen können. Sie vergrößert das Risiko der Beschäftigten, selbst arbeitslos zu werden. Sie hilft mit, aus gewachsenen Völkern eine identitätslose, austauschbare Menschenmasse zu formen, die sich beliebig manipulieren lässt. Wer sich nicht mehr über Herkunft und Muttersprache definiert, ist empfänglich für die breite Palette banaler, austauschbarer, unverbindlicher Ersatzidentitäten, für die von CNN bis RTL weltweit die Werbetrommel gerührt wird. Und jede dieser Ersatzidentitäten wirft für irgendjemanden Gewinn ab. Staatsgrenzen, Sprachen, Dialekte, regionale Kulturen stören da nur. Es kommt bedeutend günstiger, an irgendeinem Punkt auf der Welt eine einzige Werbekampagne entwickeln zu lassen, mit der es möglich ist, weltweit einheitliche Produkte an einen international genormten Konsumidioten abzusetzen, als für jedes Land eine eigene Kampagne zu finanzieren. Eine Strategie, die alle Jahre wieder sichtbar wird in der „chinesischen“, „italienischen“, „deutschen“, und „französischen“ Woche bei McDonalds.

Noch gibt es Schlupfwinkel, in die das System nicht hineinreicht: Berufe, die sich dem Globalisierungsprozess entziehen. Kompensation der Entfremdung in Familie oder Freundeskreis. Nischenbildung in der Firma. Sogar politische Nischenbildung ist möglich! Die Humanisierung von Arbeitsbedingungen durch ein verantwortlich handelndes, intelligentes Management tut ein Übriges. Die Entfremdung trifft bei weitem nicht jeden, der Arbeit hat, mit gleicher Intensität. Und viele trifft sie gar nicht.

Es wäre billig, die mit dem System Zufriedenen als die sprichwörtlichen glücklichen Sklaven abzutun, die bekanntlich der Freiheit größter Feind sind. Der Globalisierungskapitalismus teilt die Menschen in Gewinner und Verlierer. Es wird nicht leicht sein, die Gewinner vom Erfordernis einer neuen politischen Ordnung zu überzeugen.

Und doch führt kein Weg daran vorbei, gerade jenen dynamischen, erfolgsorientierten Teil der Menschheit anzusprechen, der für sich selbst mit den ökonomistischen Prinzipien gut zurecht kommt, der mitschwimmen könnte, wenn er wollte, sich aber aus weltanschaulicher Überzeugung für einen anderen politischen Weg entscheidet; ihn davon zu überzeugen, dass die öffentlichen Verhältnisse in den westlichen Industriestaaten nicht länger von Oligarchien bestimmt werden sollten, deren liberalistisch oder neomarxistisch orientierte Entscheidungsträger auf dem soziologischen und politikwissenschaftlichen Erkenntnisstand des 19. Jahrhunderts zurückgeblieben sind. Es gilt, einem neuen politischen Ansatz zum Durchbruch zu verhelfen, der auf modernen anthropologischen Erkenntnissen aufbaut, getragen von Akteuren, die ihre tagespolitische Argumentation auf einem lebensrichtigen Bild von Menschen und Völkern gründen. Das ist es, was den Neuen Realismus ausmacht. Deren Erfolg kann nicht vor allem das Werk der Modernisierungsverlierer sein, denn die Verlierer der bestehenden Verhältnisse werden es weder verstehen, die notwendigen personellen Alternativen herauszubilden, noch werden sie je über die erforderlichen Ressourcen verfügen, um den Oligarchien die Stirne bieten zu können.

Der Neue Realismus steht und fällt mir Erfolgsmenschen, wie Donald Trump einer ist. Das ist genau der Typus, der im 21. Jahrhundert Geschichte macht.

Es gilt, sich weder vor dem Begriff der Elite zu fürchten, noch avantgardistische Ansätze von Anfang an in den Bann zu tun. Und es gilt, sich keine Illusionen zu machen. Die Avantgarde des Neuen Realismus fürchtet den sozialen Ausschluss nicht, sie akzeptiert ihn als sachlich wie emotional begründeten Reflex derer, die Grund haben, sich vor Veränderungen zu fürchten. Die Oligarchen von heute und ihr Hofstaat sind die Modernisierungsverlierer von morgen. Wir erwarten nicht, dass sie ihrer Deklassierung tatenlos zusehen werden.

Wir leben im „Zeitalter der Massen“ (Gustav Le Bone):

„Die Geschichte lehrt uns, dass in dem Augenblick, da die moralischen Kräfte, das Rüstzeug einer Gesellschaft, ihre Herrschaft verloren haben, die letzte Auflösung von jenen unbewussten und rohen Massen, welche recht gut als Barbaren gekennzeichnet werden, herbeigeführt wird. Bisher wurden die Kulturen von einer kleinen, intellektuellen Aristokratie geschaffen und geleitet, niemals von den Massen. Die Massen haben nur Kraft zur Zerstörung. Ihre Herrschaft bedeutet stets eine Stufe der Auflösung. Eine Kultur setzt feste Regeln, Zucht, den Übergang des Triebhaften zum Vernünftigen, die Vorausberechnung der Zukunft, überhaupt einen hohen Bildungsgrad voraus — Bedingungen, für welche die sich selbst überlassenen Massen völlig unzugänglich sind. Vermöge ihrer nur zerstörerischen Macht wirken sie gleich jenen Mikroben, welche die Auflösung geschwächter Körper oder Leichen beschleunigen. Ist das Gebäude einer Kultur morsch geworden, so führen die Massen seinen Zusammenbruch herbei.“

Unsere Aufgabe ist es, jene neue europäische Aristokratie herauszubilden, die diesen Zersetzungsprozess anhält und ihn im Wege einer politischen Reformation umkehrt. Diese politische Reformation ist der Neue Realismus. Sie wird dahin führen, dass sich junges Fleisch um die verblichenen Knochen des alten Europa windet und die Wiedergeburt seiner Idee sichtbar werden lässt. Die Alternativen sind offensichtlich: Siegt die Barbarei, dann wird Europa im 22. Jahrhundert nicht mehr bestehen. Deshalb ist die Auseinandersetzung absolut, und der erste Schritt in Richtung auf die Zugehörigkeit zur neuen Aristokratie besteht für den einzelnen darin, loszulassen vom Bestehenden mit seinen Denkverboten und Sollenspostulaten sowie zu verinnerlichen, dass wir hier nicht irgend eine beliebige politische Auseinandersetzung führen, sondern schlicht von der Position des Erforderlichen aus argumentieren.

Globalisierungskapitalismus überwinden

Die politische Auseinandersetzung mit dem Globalisierungskapitalismus ist heute vom Scheitern der Marxisten im 20. Jahrhundert geprägt. Deren historischer Fehler bestand darin, vom Fabrikbesitzer bis zum Bäckermeister die Leistungsträger der wirtschaftlichen Entwicklung zu enteignen, sie um die Früchte ihrer Arbeit zu betrügen und einer Bürokratie zu unterwerfen, die weit anonymer war, als es je eine kapitalistische Herrschaftsform gewesen ist. Das nahm diesen Leistungsträgern die Motivation zur Arbeit. Daraus resultierten die bekannten Defizite in der vermeintlichen „sozialistischen Produktion“.

Das Unternehmertum muss frei bleiben. Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Betriebsvermögen ist zu fördern. Die kleinen Gewerbetreibenden und der Mittelstand bilden am Beginn des dritten nachchristlichen Jahrtausends das Rückgrat einer jeden funktionierenden Volkswirtschaft. Der Staat hat jene, die volkswirtschaftlich produktiv arbeiten, mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu fördern. Aber wehe den Schmarotzern, die Profit nicht aus Arbeit schlagen wollen, sondern aus der Spekulation; aus Verfahren, die darin bestehen, Geld zu verschieben und mit der Verfügbarkeit über Liquidität den volkswirtschaftlich produktiv arbeitenden Teil der Menschen zu übervorteilen!

Der Staat muss ein Bildungs- und Informationsangebot für kleine Unternehmer entwickeln. Kostenfreie Grundkurse in Betriebswirtschaft und Psychologie, zugeschnitten auf die betriebliche Praxis, sollen hohe Priorität bekommen. Begriffe wie Motivation und Kleingruppen-Dynamik sind heute für viele Arbeitgeber Fremdworte. Sie müssen hohe Bedeutung für die Planung wirtschaftlicher Abläufe bekommen.

Der Staat übt den erforderlichen Einfluss auf die Wirtschaft, der das Primat des Politischen vor dem Ökonomischen sichert, über die Steuerung der Geldgeschäfte aus. Sei wichtigstes Instrument sind dabei miteinander auf regionaler wie gesamtstaatlicher Ebene konkurrierende öffentlich-rechtliche Geldinstitute in der Nachfolge der heutigen Sparkassen und Landesbanken. Die Freiheiten, die für Warenproduktion, Handel und Dienstleistungen gelten, kommen für reine Geldgeschäfte nicht in Betracht. Geldgeschäfte sind die einzigen, die sich zuverlässig und innerhalb gewisser Grenzen sogar zentral planen und steuern lassen.

Das Bargeld wird abgeschafft. Der Staat bezieht seine erforderlichen Geldmittel aus der Abschöpfung eines geringen, unmerklichen Anteils von jeder Geldüberweisung. Bei Überweisungen ins Ausland wird dieser Anteil vermehrfach. So kann sich niemand mehr der Steuer entziehen – selbst nicht die Globalisierungskonzerne, die heute regelmäßig in Deutschland kaum oder gar keine Steuern bezahlen, weil sie sich arm rechnen und den formal rentablen Teil ihres Netzwerkes im Ausland unterhalten.

Gleichzeitig wird die Kriminalität eingedämmt. Viele kriminelle Transaktionen lassen sich nicht per Geldüberweisung realisieren. Dagegen gibt es bereits heute keine legale wirtschaftliche Transaktion, die nicht per Kartenverfügung, Überweisung oder Scheck bezahlt werden kann.

Unser Geld- und Steuersystem reflektiert heute die technischen Standards des 19. Jahrhunderts. Der Politikbetrieb ist zu Reformen unfähig. In ihm finden selten die intelligenten, kreativen, vorwärtsstrebenden Charaktere ein Feld ihrer Betätigung als vielmehr drittklassige Laienschauspieler mit bestenfalls kommunikativer Kompetenz. In der Politik gibt es immer weniger zu entscheiden. Wer heute etwas auf sich hält, geht in die Wirtschaft. Sobald aber das Primat des Politischen wiederhergestellt ist, wird diese Entwicklung umgekehrt. Die Umkehr lässt sich nicht administrativ verordnen, sie wird sich als Folge einer veränderten tatsächlichen Situation vollziehen.

Globalisierung und Zuwanderung

Einschneidende Veränderungen wird in allen westlichen Industriestaaten das Ende einer Zuwanderungspolitik mit sich bringen, die darauf abzielt, durch administrative politische Maßnahmen einen Arbeitskräfte-Überschuss mit millionenfacher Massenarbeitslosigkeit zu schaffen. Eine Greuelvorstellung der Globalisierungskapitalisten wird Wirklichkeit werden: Vollbeschäftigung. Sie bringt hohe Löhne und eine starke Position der Arbeitnehmer gegenüber den Unternehmern am Arbeitsmarkt mit sich.

Diese für die einschlägigen Akteure unerträgliche Situation war in Westdeutschland Anfang der 1960er Jahre bereits erreicht. Die Löhne stiegen immer schneller, und die Macht der Gewerkschaften wuchs. Um die Produktion weiter ausdehnen zu können, standen Politik und Wirtschaft vor der Alternative, kapitalintensiv zu automatisieren, oder aber billig Arbeitskräfte im Ausland anzuwerben. Anders als in Japan entschieden sich die Verantwortlichen in der westdeutschen Bundesrepublik für die kurzfristig preiswertere Lösung. Ausländische Beschäftigte wurden nicht nur, aber auch in der Absicht nach Westdeutschland geholt, wieder Arbeitslosigkeit zu schaffen. Dieses Ziel wurde in den 1970er Jahren erreicht. Nun konnten die Arbeitgeber aus dem künstlich vergrößerten Arbeitskräftepotential ihre Wahl treffen. Die Gewinne aus dieser Entwicklung wurden privatisiert und die sozialen Folgekosten auf die Allgemeinheit umgelegt.

Die westdeutsche Politik war eher Zaungast als Motor dieser Entwicklung. Ihr fiel die Rolle zu, die von wirtschaftlichen Entscheidungsträgern außerhalb demokratischer Mechanismen beschlossene Masseneinwanderung zu moderieren und der eingeborenen Bevölkerung schmackhaft zu machen. Auch die westdeutschen Gewerkschaften sprangen, resultierend aus der vom internationalistischen Marxismus geprägten ideologischen Verblendung ihrer Funktionäre und gegen die objektiven Interessen derer, deren Belange sie zu vertreten vorgeben, dem Kapital helfend zur Seite und rührten die multi-kulturelle Propagandatrommel.

Bald stellte sich mancherorts das Zusammenleben mit einem Teil der Zuwanderer als problematisch heraus. Vor allem viele Gastarbeiter aus islamischen Ländern transportierten bislang der einheimischen Bevölkerung unbekannte Sitten und Gebräuche in die westdeutschen Großstädte. Ausländerghettos entstanden. Die Zuwanderer erweiterten den deutschen Speiseplan. Trotzdem fassen bis heute viele Deutsche die Nachbarschaft zu Menschen türkischer oder arabischer Herkunft als einen Verlust an Lebensqualität auf.

Weit bedrückender als für die Deutschen war diese Situation von Anfang an für die Zuwanderer. Fern der Heimat, der deutsche Sprache oft nur eingeschränkt mächtig, litten sie unter Misstrauen und Ablehnung – und rückten noch enger zusammen, bauten die Ghettos aus. Auch nach Jahrzehnten administrativer Integrationsbemühungen, flankiert von einer penetranten massenmedialen Agitation, bilden Millionen muslimische Zuwanderer  in allen deutschen – wie anderen mitteleuropäischen – Großstädten einen Staat im Staate, leben nach eigenen Gesetzen, trauen sich oft Polizisten nur in der Gruppe in ihre Ghettos hinein, wenn es darum geht, ausländische Straftäter zu verfolgen. Weiter belastet wird das Zusammenleben durch den millionenfachen Asylmissbrauch und die Raubzüge organisierter Verbrecherbanden aus Osteuropa, die das liberale deutsche Grenzregiment ausnutzen.

Das nationale Prinzip

Die Nation ist der größte bislang dagewesene Zusammenschluss von Menschen zu einer – zumindest potentiell – handlungsfähigen Einheit, verbunden durch eine gemeinsame Herkunft, Geschichte, Sprache und Kultur. Die Herausbildung der Nationen war ein Qualitätssprung in der Entwicklung der Menschheit. Die Nation ermöglicht es dem einzelnen, sich in Beziehung zu setzen zu unzähligen anderen, ihm persönlich unbekannten Individuen, sie macht die Mobilisation der Massen möglich. Lieben, arbeiten, helfen, opfern – das ist seit gut tausend Jahren nicht mehr nur für die Familie oder für eine religiöse Überzeugung, sondern auch für die Nation möglich. Aber auch hassen, kämpfen, vernichten. Was die anthropologische Entwicklung dem Menschen an Rüstzeug für das Überleben in der Kleingruppe der Jäger und Sammler mitgegeben hat, bekommt in der modernen Welt der Völker eine neue Bedeutung.

Nation oder Religion, Nation oder Klasse, Nation oder Kapital – der Antagonismen sind viele. Aber immer haben sich auch Schnittmengen gebildet.

Gott mit uns: Am Beginn der Nationwerdung der Deutschen stand das Christentum Pate. Die meisten unserer kulturell tradierten Werte wurzeln in der Lehre des Nazareners.

Nation und Klasse: Ernst Niekisch hat versucht, einen marxistisch geprägten Nationalismus der Befreiung zu begründen. Aber damit bildete er innerhalb der sozialistischen Internationale keine allzu große Nische, und mit deren Scheitern in Europa geriet sein Ansatz in Vergessenheit.

Nation und Kapital: Das klingt nach Krupp, Kanonen und Weltkrieg. Tatsächlich aber kann die Überschneidung nationaler und ökonomischer Interessen beides sein: Fluch ebenso wie Segen. „Wohlstand für alle“ – wer will das nicht?

Die Nation beinhaltet bislang als einzige Organisationsform des Menschen eine realistische Option auf soziale Gerechtigkeit und demokratische Freiheit. Ob und wie umfassend diese Option verwirklicht wird, hängt von äußeren und inneren Faktoren ab, vom Bürgerwillen ebenso wie von den Entscheidungen, die die wirtschaftlichen und die politischen Eliten eines Volkes treffen. Der Globalisierungskapitalismus dagegen schlägt eine soziale Kluft, die mit seiner fortschreitenden Entwicklung immer größer wird und die Minderheit der Wohlhabenden von der Masse des Volkes trennt. Er ist antidemokratisch, weil er Finanzoligarchien zur Herrschaft verhilft, die auf Belange des Volkes nur insoweit Rücksicht nehmen müssen, als es ihnen taktisch opportun erscheint.

Falls überhaupt die Überwindung des Globalisierungskapitalismus im 21. Jahrhundert möglich sein sollte, dann nur durch die Mobilisation der Massen im Namen der Nation.

Dem werden selbstverständlich jene Anhänger der Aufklärung, des alten Realismus, die sich als „Linke“ verstehen, vehement widersprechen. Sie können nicht erkennen, welche soziale und demokratische Sprengkraft die nationale Idee hat. Für sie ist die Nation eine überaus verdächtige Sache: Im Zweifelsfall faschistisch. Ihre kollektive Erinnerung reicht zurück bis zum kapitalistisch-imperialistischen Missbrauch des patriotischen Pathos in der Kolonialzeit und im Ersten Weltkrieg. Davor war nichts. Sie assoziieren „Deutschland“ mit „Kaiser Wilhelm“ und mit „Hitler“. Sie haben das Wartburgfest, Hambach und die Revolution von 1848/49 vergessen. Dass die deutsche Demokratiebewegung des 19. Jahrhunderts eine Nationalbewegung war genauso wie die französische und die italienische Demokratiebewegung, blenden sie aus. Und es ist auch völlig sinnlos, den Versuch zu unternehmen, ihr Weltbild mit Verweis auf historische Fakten oder die von ihnen als Provokation aufgefasste Frage zu erschüttern, wie denn außerhalb der Sprachgemeinschaft, die ja ein Volk nicht nur, aber eben gerade auch bildet, Demokratie möglich sein soll. Statt sich über solche Fragen den Kopf zu zerbrechen, denken sie nur: „Hitler.“ — „Hitler!“

Sie sind wieder und wieder mit dem Versuch gescheitert, eine abstrakte Internationale oder die Ideologie der Menschenrechte an die Stelle der Nation zu setzen, aber sie lernen nichts aus ihren Irrtümern. Regelmäßig sind sie nicht in der Lage, auszuformulieren, was eigentlich schlecht daran sein soll, sich als Deutscher zu fühlen. Sie lehnen Deutschland ab in Reflektion der Erinnerung in ihrem politischen Spektrum daran, dass sie 1933 unter nationalistischen politischen Vorzeichen, von der Mehrheit des Volkes ausdrücklich gebilligt, aus dem öffentlichen Leben ausgeblendet und in vielen Fällen politisch verfolgt wurden. Deshalb üben sie heute gegen jeden, der es unternimmt, sich positiv zu Deutschland in eine Beziehung zu setzen, politische Repression aus – gewiss nicht im selben Maße, in dem sie die Diktaturen des Dritten Reiches und der DDR gegen Oppositionelle verbrochen haben, aber etwa so, wie sie die Sozialdemokraten unter den Sozialistengesetzen des Kaiserreiches erdulden mussten. Die Repression der Globalisierungskapitalisten gegen die Träger des Neuen Realismus resultiert aus einem objektiven Interessengegensatz, sie ist rational verhandelbar. Im antideutschen Hass der „Linken“ offenbart sich dagegen eine intellektuelle Fehlfunktion des modernen homo sapiens: Tugenden, die dem Jäger und Sammler vor mehreren zehntausend Jahren das Überleben überhaupt erst möglich gemacht haben – Kameradschaft, Mitgefühl, aber auch Aggression gegen die anderen – wirken sich bei verzerrter Anwendung auf die Verhältnisse der modernen Welt zerstörerisch aus. Literarisch und filmisch umfassend kultiviert, leben die „Linken“ in einer Scheinwelt, die das politische Milieu der 30er und 40er Jahre reflektiert. Sie wollen nicht im 21. Jahrhundert ankommen. Sie unterstellen den Trägern des Neuen Realismus Xenophobe und Rückständigkeit und merken dabei nicht, dass sie selbst ganz und gar Gefangene niederer Instinkte sind.

Historischer Determinismus ist ein Ausdruck von Wunschdenken. Das Schicksal der Menschheit ist offen. Wir können unsere natürlichen Lebensgrundlagen zerstören oder uns atomar ausradieren. Es steht uns frei, Diktaturen zu errichten und unserem Hass aufeinander freien Lauf lassen. Aber keine überirdische Macht kann uns daran hindern, stattdessen eine Welt freier Völker zu schaffen, die Staaten bilden, in denen demokratische Freiheit und soziale Gerechtigkeit herrscht. Wir können den Krieg überwinden, falls es uns gelingt, Abstand zu nehmen von der Gleichmacherei und den jeweils Anderen in seiner Fremdheit zu akzeptieren, statt ihn politisch, wirtschaftlich oder kulturell beherrschen zu wollen. Wir können den wissenschaftlich-technischen Fortschritt so oder so nutzen: Zur Erfüllung der Optionen, die uns das Leben bietet, oder zur Selbstvernichtung.

Fortschritt und Neuer Realismus

Den Menschen unterscheidet vom Tier, dass er sich seine Situation bewusst machen und sein Schicksal selbst bestimmen kann. „Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ – Diese Fragen stellen zu können, erhebt den Menschen über jede andere Spezies auf der Erde. Die Verfechter des alten Realismus waren der Meinung, mit dem weiteren Fortschreiten von Wissenschaft und Technik würden alle Fragen der Menschheit rational beantwortet werden können, auch die Frage nach Leben und Tod. Deshalb war ihr Ansatz Anti-Klerikal. Den ernsten, womöglich noch mit konkreten Anforderungen an den Lebensalltag verknüpften Glauben an Gott empfinden heute viele „aufgeklärte“ US-Amerikaner und Europäer als lächerlich. Religiosität scheint eine Krücke zu sein für Menschen, die Schwierigkeiten damit haben, sich in der modernen Welt zurechtzufinden.

So gesehen hätten vor allem Elementarphysiker, Kybernetiker, Mathematiker, Chaostheoretiker und Chemiker guten Grund, in den Kirchen die vorderen Plätze einzunehmen, still zu sitzen und die Ohren weit aufzusperren, wenn der Pfarrer spricht – denn gerade sie wissen, dass wir nichts wissen. Tatsächlich hat die Explosion des wissenschaftlich-technischen Fortschritts für die Menschheit ungeheuer viel Positives und Hilfreiches gebracht. Aber sie hat uns keine Antwort auf die alten Fragen nach Sinn und Sein gegeben. Stattdessen liefert sie Theorien, wie die Welt um uns herum beschaffen sein könnte, die zwar konkret unter Zugrundelegung menschengemachter Ziele etwas leisten mögen, sich aber bestenfalls der Wahrheit annähern, ohne sie je zu erreichen.

Am Ende des 19. Jahrhunderts ging der deutsche Physiker Heinrich Hertz davon aus, dass es niemals möglich sein würde, Radiosignale über mehr als 300 Kilometer Distanz zu empfangen, weil die Radiowellen der Erdkrümmung nicht folgen könnten. Sie würden sich, so seine Vermutung, im Weltraum verlieren. 1901 gelang es dem italienischen Ingenieur Guglielmo Marconi, ein in England gesendetes Morsesignal in Neufundland zu entschlüsseln. Zum ersten Mal war damit eine Funkbotschaft quer über den Atlantik übermittelt worden. Marconi war der Meinung, die Erdgravitation würde die Radiowellen in eine gekrümmte Bahn zwingen. Für seine Arbeit wurde er 1909 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet.

Aber Marconi hatte Unrecht. Die Erde wird von einer ionisierten Luftschicht umspannt, die Radioweilen reflektiert; über große Distanz empfangen werden können nur diese Reflexe (heißt es heute). Das konnte Marconi nicht wissen. Seine Theorie, obwohl sachlich falsch, war trotzdem brauchbar und einleuchtend.

Indessen, was genau sind Ionen? Wir können sie umschreiben, nicht aber im engeren Sinne des Wortes begreifen. Was unterscheidet die so definierte negative Ladung eines Elektrons von der so definierten positiven Ladung des Protons im Atomkern, um den, wie wir sagen, die Elektronen kreisen? Das weiß kein Mensch wirklich. Unser relativer Erkenntnisgewinn in den letzten zwei-, dreihundert Jahren war gewaltig, aber der absolute Erkenntnisgewinn weist eine Tendenz gegen Null auf. Das Rätsel des menschlichen Bewusstseins, die Frage, was nach dem Tod kommt, kann uns kein Naturwissenschaftler beantworten. Wie vor tausend Jahren laufen wir Gefahr, unser Leben als sinnlos anzunehmen – ohne Gott.

Anders als die Verfechter des alten Realismus wissen wir um die Grenzen menschlicher Erkenntnisfähigkeit, und dieses Wissen um Grenzen ist vielleicht wichtiger als jede andere (vermeintliche) Erkenntnis. Deshalb ist der Neue Realismus nicht religionsfeindlich. Er will politische Handlungsanleitungen liefern für die Zukunft der Menschen. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Die Aufklärung setzte den Menschen absolut. Er, die Krone der Evolution, richtet seinen scharfen Blick auf die Welt um ihn herum, die er mit objektivem Verstand vollkommen sachlich analysiert – so lautete ihre Hybris. Wir, die Träger des Neuen Realismus, haben dagegen verstanden, dass der Mensch nicht neutraler Betrachter, sondern Teil der Natur ist und sich zunächst einmal selbst verstehen muss, bevor er daran gehen kann, Mitteilungen über den Rest der Welt in Umlauf zu bringen.

Wir sind immer noch ein „riskiertes Wesen“ (Konrad Lorenz). So vernunftbegabt wir im Kleinen sind, so sehr unterliegen wir der Gefahr, eigentlich offensichtlichen Unsinn im ganz großen Stil mitzumachen, sofern der Unsinn nur institutionalisiert ist und genügend andere Menschen mitmachen. Das dritte Jahrtausend nach Christus ist das erste seit Bestehen der Menschheit, das ganz im Zeichen der uns seit kurzem gegebenen neuen wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten steht – mit allen Konsequenzen, im Bösen wie im Guten. Was machen wir daraus? – Wir haben nicht wirklich eine Wahl. Wir stehen in der Verantwortung, den schweren Weg zu gehen: den Weg des Widerstands und des Kampfes für eine Welt freier, selbstbewusster Völker.

Dies und nichts anderes ist unsere Pflicht: Vor den Menschen. Vor der Geschichte. Vor Gott.